Paris

Politische Stadtgeographie: Vivre avec la terreur – living in cities with terror: effects of diffuse terrorism on urban atmospheres

Living in Cities with Terror: effects of diffuse terrorism on urban atmospheres
Paris
Foto: Elina Sazonova via Pexels

Laufzeit: 2017-2020

Projektleitung: Damien MassonExterner Link (PI), Virginie LinderExterner Link (Co-I), Anne HertzogExterner Link (Co-I), Université Cergy-Pontoise; Sara FregoneseExterner Link (Co-I), University of Birmingham; Paul SimpsonExterner Link, University of Plymouth; Simon Runkel (Co-I)

Mittelgeber: Initiative d’excellence Paris//Seine

Forschungsschwerpunkt: Sicherheit und Freiheit 

Leben mit Terror im öffentlichen Raum

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem darauffolgenden „Krieg gegen Terror“ lässt sich gesellschaftlich eine zunehmende Versicherheitlichung des öffentlichen Raums erkennen. Das Zusammenleben im öffentlichen Raum ist heute von Gefühlen der Verunsicherung begleitet. Terroristische Anschläge wie in Paris am 13. November 2015, in Brüssel am 22. März 2016, in Nizza am 14. Juli 2016, in Berlin am 19. Dezember 2016, in Manchester am 22. Mai 2017 und weitere Ereignisse führen nicht zuletzt auch durch eine hohe Medienaufmerksamkeit zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen und Atmosphären der Verunsicherung in den öffentlichen Räumen von Großstädten. Hinzu kommt, dass zahlreiche dieser terroristischen Anschläge mit einfachen, nahezu alltäglichen Mitteln ausgeführt wurden. Dies nährt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck, dass es überall jederzeit zu einem Anschlag kommen könnte. Besonders betroffen scheinen hier Ansammlungen von vielen Menschen zu sein.

Einerseits führt dies zu immer neuen Technologien mit denen Behörden und Unternehmen optimierte Sicherheitsvorkehrungen treffen wollen. Dies schließt nicht nur nunmehr klassische Formen der Gefahrenabwehr wie Betonsperren oder Überwachung wie durch erhöhte Präsenz von Ordnungskräften oder Videoüberwachung im öffentlichen Raum ein, sondern dringt mit komplexen ‚smarten Lösungen’ in zuvor privative Bereiche der Kommunikation ein. Im Kontext der sogenannten Smart-City-Initiativen werden verstärkt Sicherheitsversprechen abgegeben, die auf subtile und nicht-sichtbare Formen der Personenerkennung und der Detektion auffälligen Verhaltens im öffentlichen Raum setzen.

Andererseits entstehen insbesondere in betroffenen Städten soziale Formen der spontanen oder organisierten Wiederaneignung des öffentlichen Raums. Mit atmosphärischer Inszenierungen wird sich mit Opfern und Betroffenen von Terroranschlägen solidarisiert, wie beispielsweise durch die Einfärbung des Brandenburger Tors mit den Farben der Flaggen des betroffenen Landes, durch bestimmte hashtags oder memes im Internet („Je suis Paris“) oder Benefizveranstaltungen, die kollektive Solidarität und Trauer bekunden. Hierbei handelt es sich, so eine Prämisse eines neu angelaufenen Forschungsprojekts, um eine bestimmte Form urbaner Geopolitik, die stimmungsvoll Geschlossenheit und Einheit im Kampf gegen Terror demonstrieren soll.

Im Rahmen eines interdisziplinären und internationalen Forschungsprojekts namens „Living in cities with terror: effects of diffuse terrorism on urban atmospheres“ wurde die Frage gestellt, inwieweit die Erfahrung von terroristischen Anschlägen bzw. deren mediale Aufarbeitung in verschiedenen europäischen Großstädten das Alltagsleben der Menschen beeinflusst. Das Forschungskonsortium bestand aus Sozialwissenschaftler*innen und Geograph*innen von den Universitäten Cergy-Pontoise (Frankreich), Birmingham und Plymouth (beide UK) und Prof. Dr. Simon Runkel (ehemals noch in Heidelberg). Eine Finanzierung über zwei Jahre wurde von der Initiative d’excellence Paris//Seine zu Verfügung gestellt.

Das Projekt zielt erstens darauf zu verstehen, wie die „Last“ eines potentiellen Terroranschlags sich auf Menschen und ihr Verhalten im öffentlichen Raum auswirkt. Zweitens soll mit dem Forschungsvorhaben zu einem Verständnis beigetragen werden, inwieweit Diskurse und Praktiken von öffentlichen sowie privaten Akteuren das Sicherheitsgefühl der städtischen Bewohner beeinflussen. Eine zentrale These im Projekt war, dass urbane Umgebungen und ihre atmosphärischen Qualitäten Aufschluss über die Beziehungen zwischen Diskurs, Praxis und Gefühl geben. Der Forschungsansatz zielte auf die individuellen Erfahrungen, die Menschen in ihrer alltäglichen Nutzung des öffentlichen Raums in Konfrontation mit Sicherheitsmaßnahmen machen. Dabei wurde das Konzept der Atmosphäre genutzt mit welchem die affektive und emotionale Erfahrung des Zusammenlebens im öffentlichen Raum beschrieben werden kann. Letztlich war Ziel des Forschungsprojekts zum Verständnis beizutragen, wie sich Freiheit und Sicherheit im öffentlichen Raum in europäischen Metropolen neu verhandeln, wenn terroristische Anschläge bzw. ihre mediale Inszenierung trotz ihrer tragischen Außergewöhnlichkeit zu einer bekannten Erfahrung werden. Es wurde Feldforschung in britischen, deutschen und französischen Großstädten betrieben. Das über eine Anschubfinanzierung organisierte Projekt diente der Vorbereitung eines im Jahr 2021 gestarteten Projekt „Atmospheres of (Counter)Terror in European Cities“ (ORA-Programm).

Ansprechpartner

Simon Runkel, Juniorprof. Dr.
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Simon Runkel
Foto: Felix Völkel